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Erstaunlich!

Text

Pierre Wuthrich

Erschienen

14.04.2022

Viviane Chassot sitzt mit ihrem Akkordeon auf einem Stuhl vor einem Brunnen

Viviane Chassot beweist mit Bravour, dass die Werke von Mozart, Bach und Haydn auch auf dem Akkordeon gespielt werden können. Die Musikerin kommt auf Einladung von Migros-Kulturprozent-Classics nach Zürich, Luzern und Bern für Konzerte, die Klassik, Jazz und Improvisation verbinden.

Als Kind tanzte Viviane Chassot jahrelang und leidenschaftlich Ballett an der Oper Zürich. Sie war so gut, dass sie vielleicht sogar eine professionelle, mit Anmut durch die Lüfte wirbelnde Ballerina hätte werden können. Paradoxerweise war es ein unförmiges Schwergewicht von Instrument, das ihre Pläne durchkreuzte. «Mein Vater spielte jedes Jahr zu Weihnachten das Akkordeon, und dieses Objekt faszinierte mich», erinnert sich die junge Frau. In Wollerau (SZ), wo Viviane Chassot aufgewachsen ist, ist die Faszination für dieses Instrument gang und gäbe. «Die Hälfte meiner Klasse spielte es. Es gab Akkordeon-Orchester und Wettbewerbe. Das Akkordeon erfreute sich einer langen volkstümlichen Tradition.»

Zwar war Viviane Chassot begeistert von diesem Instrument, das zuweilen als Klavier für Arme bezeichnet wird, weniger jedoch von der Volksmusik, mit der es häufig assoziiert wird. Man könnte also von Liebe auf den zweiten Blick sprechen, einer Liebe, die begann, als die damals Zwölfjährige im Radio ein Werk von Bach auf dem Akkordeon hörte. «An diesem Tag habe ich begriffen, dass man mit diesem Instrument auch andere Genres spielen kann und dass ich genau das machen wollte.»

Unterstützt von ihren Eltern, die sehen, wie eifrig sich ihre Tochter in das Studium stürzt und wie leicht ihr dieses Instrument fällt, lernt die junge Frau zunächst am Konservatorium Biel, später dann am Konservatorium Bern in der Klasse von Teodoro Anzellotti, angetrieben von ihrem Wunsch, professionelle Akkordeonistin zu werden. 

Und genau das ist ihr auch gelungen. Viviane Chassot hat den Durchbruch geschafft. Sie ist bereits in der Philharmonie Berlin, im Konzerthaus Wien und im Guggenheim Museum in New York aufgetreten und hat mit Dirigenten wie Sir Simon Rattle und Riccardo Chailly gearbeitet.

Neben ihrer Karriere als Akkordeonistin ist sie heute auch Dozentin am Konservatorium in Winterthur. «Ich bringe meinen Schülerinnen und Schülern nicht nur die Technik bei, sondern begleite sie auch auf ihrem persönlichen Weg. Sie müssen die Musik finden, die zu ihnen passt, und den Funken, den sie in sich tragen. Nur so können sie ihre flammende Leidenschaft auf das Publikum übertragen.

Viviane Chassot mit ihrem Akkordeon

Geliebtes Akkordeon

Viviane Chassot liebt das Akkordeon, mit dem sie viele verschiedene Klänge erzeugt und das sich mal leicht, mal tiefgründig zeigen kann. Und das ist nicht alles: «Dieses Instrument hat eine Seele, mit seinem Balg, der es atmen lässt», erklärt Viviane Chassot begeistert. «Beim Spielen wird man eins mit ihm. Ich liebe es, es an meinem Herzen zu spüren.»

Eine Entdeckerin

«Ich erstelle die Transkriptionen der Werke von Mozart, Bach und Haydn für Akkordeon selbst. Das ist schon sehr zeitaufwendig. Für manche Passagen, die nur wenige Takte lang sind, kann ich auch schon einmal mehrere Tage brauchen. Ausserdem weiss ich am Anfang nie, ob ich die gesamte Partitur transponieren kann.» In dieser Hinsicht ist die Musikerin eine wahre Entdeckerin, die sich auf keinerlei Anhaltspunkte stützen kann. «Vor mir hat zum Beispiel noch niemand Mozarts Klavierkonzerte für Akkordeon transkribiert. Der Beginn der Proben mit dem Orchester bringt deshalb jede Menge Stress mit sich. Erst dann weiss ich nämlich, ob mir die Transkription geglückt ist.

Eine Musikerin, die keine Grenzen kennt

Viviane Chassot sieht das Akkordeon als ein universales Instrument, das sich für alle Musikstile eignet. «Man kann damit insbesondere zeitgenössische Musik spielen, Jazz oder Tangowerke. Nichts ist unmöglich. Ausserdem mag ich es, Brücken zwischen den verschiedenen Genres zu schlagen.» Auch an die schwierige Improvisation wagt sich das Multitalent Viviane Chassot. «Ich folge natürlich schon gerne der vorgegebenen Struktur einer Partitur. Genauso gerne löse ich mich aber auch davon auf der Suche nach Melodien und neuen Klängen.»

Publikums- und Kritikerliebling

«Oft kommen nach einem Konzert Leute zu mir, um mir zu erzählen, dass ich ihnen eine neue Welt eröffnet habe, und dass sie nicht gedacht hätten, dass es möglich sei, klassische Musik auf dem Akkordeon zu spielen», erklärt Viviane Chassot. Und nicht nur das Publikum interessiert sich für die Musikerin. Auch Sony Classical ist an sie herangetreten: Die Wahlbaslerin wurde als erste Akkordeonistin bei diesem Label unter Vertrag genommen und hat zwei von der Kritik gelobte CDs herausgebracht. Und auch ihre Kolleginnen und Kollegen schätzen ihre Arbeit. So sehr, dass Viviane Chassot letztes Jahr den Schweizer Musikpreis erhielt. «Diese Auszeichnung hat mich sehr berührt, denn sie zeigt, dass der Berufsstand meine Arbeit schätzt. Sie kam zum genau richtigen Zeitpunkt, nämlich nach einer langen Krankheit und inmitten der Pandemie. Sie war für mich wie ein Licht am Horizont.»

Auf Einladung von Migros-Kulturprozent-Classics tritt Viviane Chassot gemeinsam mit Martin Mallaun an der Zither im Rahmen der Club-Konzerte in Bern, Luzern und Zürich auf. Programm und Tickets: club-konzerte.ch

Fotos: Kostas Maros

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