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Soll ich Bettelnden Geld geben – oder nicht?

Text

Rahel Schmucki

Erschienen

23.02.2023

Frau bettelt an Strassenrand

Wie soll ich mich verhalten, wenn mich jemand auf der Strasse nach Geld fragt? 7 wichtige Infos und Tipps.

1. Soll ich Geld geben?

Es gibt kein Richtig oder Falsch. Jeder soll auf sein Bauchgefühl hören. «Ich finde aber wichtig, wenn man etwas gibt, dann bedingungslos», sagt Gassenarbeiter Michel Steiner vom «Schwarzen Peter» Basel.

Schwester Ariane Stocklin vom Verein Incontro, der Menschen auf der Gasse unterstützt, setzt auf persönliche Gespräche und eine herzliche Begegnung. «Ich frage die Leute jeweils, wie es ihnen geht und was sie brauchen, und suche mit ihnen eine Lösung. Manchmal gehe ich auch mit ihnen einkaufen oder lade sie in unsere Mensa hinter dem 25-Hours-Hotel ein.»

Auch Steiner findet Gespräche wertvoll. «Diese persönliche Beziehung muss man aber wollen. Die meisten Bettler erkennen einen danach wieder und fragen umso mehr nach Geld.»

Wer gerne Geld geben möchte, sollte immer etwas Münz in der Tasche haben. Zwar gibt es mittlerweile auch Bettler mit Twint, da sie aber in der Schweiz ihre Kontoauszüge der Sozialhilfe vorlegen müssen, nehmen viele lieber Bargeld. Willst du kein Geld geben, bleibe ruhig und freundlich, aber sage bestimmt «Nein». In der Schweiz ist «aggressives Betteln» verboten. Fühlt man sich belästigt, darf man das auch sagen.

2. Wie viel soll ich geben?

Ein oder zwei Franken helfen den Bettelnden meistens weiter und tun in der eigenen Tasche oft nicht weh. Willst du grosszügiger sein? Dann solltest du nur so viel geben, dass du selber nicht in Schwierigkeiten kommst.

Gibst du bettelnden Menschen Geld?

3. Wäre Essen oder Kleidung nicht besser?

Willst du kein Geld geben aber trotzdem helfen? Dann frag die Person, was sie braucht oder nimm sie zum Einkaufen mit. Das dritte Schinkensandwich am Tag oder der vierte Kaffee bringt den bettelnden Menschen oft nicht mehr viel.
 

4. In der Schweiz muss doch niemand betteln?

Niemand hält freiwillig die Hand hin. Einige stehen unter Druck, sei es von einer Sippschaft, der Familie oder Leuten, denen sie Geld schulden. Andere haben eine Sucht, die sie dazu bringt. Die meisten Leute bettelten nur, wenn sie etwas Zusätzliches brauchen. Für alles andere bekommen sie in der Regel Sozialhilfe oder eine Rente und Ergänzungsleistung.

5. Ist betteln in der Schweiz erlaubt?

Das hängt vom jeweiligen Kanton ab. Aufdringliches oder bandenmässiges Betteln ist jedoch in fast allen Kantonen verboten. Einige, darunter zum Beispiel Basel-Stadt oder Zug, verbieten es zusätzlich an bestimmten Orten, wie zum Beispiel rund um Bahnhöfe, Bushaltestellen, in Parks, Kirchen oder öffentlichen Gebäuden.

In manchen ist es auch ganz untersagt. Dazu gehören zum Beispiel Zürich oder Luzern. Ein absolutes Bettelverbot verstosse jedoch gegen die Menschenrechte – urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Januar 2021 im Fall einer bettelnden Roma in Genf. Viele Kantone müssen nun ihre Verbote überdenken. 
 

6. Stecken hinter Bettelnden nicht Banden, die man dann unterstützt?

Es gebe zwar tatsächlich organisierte Bettler, sagt Pfarrer Karl Wolf, der mit Ariane Stocklin niederschwellige Gassenarbeit im Zürcher Langstrassenquartier betreibt. «Man merkt es ihnen meist an, wenn sie zum Beispiel nicht nachlassen und einem nachlaufen. Es sind Menschen, die unter Druck stehen und diesen Druck weitergeben.»

Doch längst nicht alle bettelnden Menschen gehörten zu einer Bande, ergänzt Schwester Ariane Stocklin. «Es sind Menschen, die aus ganz verschiedenen Gründen in Not sind. Sie sind sozial bedürftig, obdachlos, in Altersarmut oder an einer Sucht erkrankt.»

7. Wie kann ich bedürftige Menschen auch noch unterstützen?

Wenn du lieber anonym spenden willst, kannst du bei der Aktion Café Surprise mitmachen. In 114 Kaffees und Restaurants in der Schweiz kannst du ein zusätzliches Getränk bezahlen, das dann auf einer Strichliste festgehalten wird und von einer bedürftigen Person abgeholt werden kann.

«Die Spendenbereitschaft ist hoch, meistens ist ein Café Surprise verfügbar», weiss Nicolas Fux, der das Projekt betreut. Eine Liste aller beteiligter Cafés und Restaurants findest du hier, oder du erkennst sie an einem Kleber im Schaufenster. Café Surprise wird unterstützt von Migros-Kulturprozent.

Foto/Stage: Getty Images

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